RESOLUTION > Es bleibt dabei: Nein zur Atomenergie!

Ein Beschluss des 32. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands, der vom 25.–27. April 2025 in Kaiserslautern tagte

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I. Die NaturFreunde Deutschlands bekräftigen ihr Nein zur Nutzung der Atomenergie.

Stattdessen brauchen unser Land, die Europäische Union und die Welt sichere und zuverlässige Ener­giedienstleistungen. Eine derartige Energiewende beinhaltet den Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Effizienzrevolution in der Nutzung von Energie und die gezielte Energieeinsparung. Die Einsparraten müssen deutlich höher liegen als das wirtschaftliche Wachstum. Nur diese Strategien zusammen verdie­nen das Prädikat „Energiewende“.

In Deutschland wurde mit dem Erneuerbaren-Ener­gie-Gesetz, das sich allerdings nur auf den Strombe­reich beschränkt, ein wesentlicher Schritt zu einer nachhaltigen Energieversorgung gemacht. Doch auch das ist noch keine Energiewende, so wie sie notwen­dig wäre. Im Gegenteil: Es ist eine „amputierte“ Ener­giewende, die auch innerhalb des Strombereichs noch Schwachstellen und Mängel hat.

Auch im Mobilitätsbereich kommt die Umstellung auf E-Mobilität nur langsam voran. Es fehlt an den notwendigen Infrastrukturen für die E-Mobilität und die notwendige sozial-ökologische Verkehrswende. Vor allem bei den öffentlichen Verkehrsmitteln be­dürfte es einer großzügigen Förderung hin zu einem klima- und bürger*innenfreundlichen Nahverkehr, der bis heute nicht in Sicht ist.

II. Die NaturFreunde begrüßen, dass am 15. April 2023 in Deutschland die letzten drei kommerziel­len Atomreaktoren Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland vom Netz gegangen sind.

Damit ist das kurze und immens teure Kapitel der Atomenergie in Deutschland zu Ende gegangen, ob­wohl die Folgen unendlich lange nachwirken. Der hochradioaktive Müll, der seit der Inbetriebnahme des ersten Reaktors 1951 angefallen ist, muss über eine Million Jahre sicher vor Mensch und Natur ge­lagert werden. Das sprengt alle bekannten Dimensi­onen menschlicher Verantwortung, denn derartige Folgen müssen an ein gesichertes Vorauswissen ge­bunden sein.

Am 20. Dezember 1951 verkündete der amerikani­sche Präsident Dwight D. Eisenhower das Programm „Atoms for Peace“, nachdem am 20. Dezember 1951 ein Versuchsreaktor in Arco (Idaho) elektrischen Strom erzeugt hatte. Damit wollte Eisenhower auch von den schrecklichen Folgen der beiden Atombom­benabwürfe über den beiden japanischen Städte Hi­roshima und Nagasaki ablenken.

In Deutschland hatte der „Uranverein“ um Werner Heisenberg und Carl-Friedrich von Weizsäcker das atomare Wissen der Kriegsjahre bewahrt. Nachdem es 1955 zum Vertrag von Paris kam, der West­deutschland mehr nationale Souveränität zugestand, wurde am 20. Oktober 1955 das Bundesministerium für Atomfragen gegründet, dessen erster Minister Franz-Josef Strauß war. Wie auch Bundeskanzler Konrad Adenauer zog Strauß in Erwägung, das ato­mare Know-how für den Bau deutscher Atomwaffen zu nutzen. Gestoppt wurde dieser Plan durch die „Göttinger 18“, zu denen die Nobelpreisträger Max Born, Otto Hahn und Werner Heisenberg gehörten. Dagegen befürworteten sie die „zivile Nutzung“ der Atomkernspaltung.

Die – allerdings seltenen – Warnungen wurden nicht gehört. In den 1960er- und 1970er-Jahren kam es zum Ausbau der Atomenergie. Das änderte sich auch 1979 nicht nach der Beinah-Atomkatastrophe im amerika­nischen Harrisburg und 1986 mit dem Super-GAU in der ukrainischen Atomzentrale von Tschernobyl. In der Bundesrepublik waren 1980 elf kommerzielle Atomkraftwerke (AKW) in Betrieb und sieben im Bau, in der DDR fünf in Betrieb und drei im Bau.

Der Wendepunkt in der Bewertung der Atomenergie in Westdeutschland begann mit den Auseinanderset­zungen über das geplante AKW im badischen Wyhl, die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackers­dorf und dem Bau des AKW Brokdorf in der Nähe von Hamburg. Seit 1986 gab es dort laut Meinungsumfra­gen eine stabile Mehrheit zumindest für einen mit­telfristigen Ausstieg.

Ausschlaggebend für die ablehnende Haltung waren und sind:

  1. Die Sicherheitsfrage, die einen Unfall, der auf keinen Fall zu verantworten wäre, nicht aus­schließen kann. Während Unfälle als ein bere­chenbares Risiko bewertet werden müssen, ist der atomare GAU eine Gefahr, die nicht zu be­rechnen und damit nicht zu beherrschen ist.
  2. Das atomare Know-how ist der Schlüssel für die militärische Nutzung und damit auch für den Missbrauch der Atomkernspaltung.
  3. Die Nutzung der Atomenergie hinterlässt hoch­radioaktiven Abfall, der eine Million Jahre sicher geschützt werden muss. Nirgendwo in der Welt gibt es ein Lager, dass den deutschen Sicher­heitsanforderungen entspricht.
  4. Das System der Atomenergie ist systembezogen auf einen durchgehend hohen Stromverbrauch ausgerichtet. Das widerspricht einem zentralen Ziel der Energiewende: der Einsparung.

Es dauerte aber bis zur ersten rot-grünen Koalition, die im Jahr 2000 das „Gesetz über die geordnete Be­endigung der Kernenergie“ durchsetzen konnte. Als im Oktober 2010 die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel die Entwicklung wieder zurück­drehen wollte, wurde sie von der Realität eingeholt: Am 11. März 2011 kam es im japanischen AKW Fuku­shima-Daiichi zu einem dreifachen Super-Gau. Die politische Kettenreaktion erreichte auch Berlin. Die CDU/CSU konnte Tschernobyl nicht länger mit ma­roder östlicher Technik erklären. Der Deutsche Bun­destag stimmte in der Folge für eine Änderung des Atomgesetzes mit dem Ziel des Ausstiegs aus der AKW-Nutzung.

III. Die NaturFreunde sagen Nein zur Forderung nach einem Neueinstieg in die angeblich neuen Reak­torlinien, insbesondere mit Small Modular Reac­tors (SMR).

Heute wird mit fragwürdigen Behauptungen ver­sucht, auch in Deutschland zur Atomenergie zurück­zukehren. Die Forderungen kommen aus CDU/CSU, FDP und AfD. Behauptet wird:

  1. Die Atomenergie sei klimaverträglich. Das ist aus zwei Gründen falsch: Zum einen emittiert sogar ein GuD-Kraftwerk (GuD: Gas-und-Dampfturbi­nen) über den ganzen Lebensweg weniger Koh­lendioxid als ein AKW, von den erneuerbaren Energien ganz zu schweigen. Zum anderen sind die Atomkraftwerke wirtschaftlich, technisch und organisatorisch auf einen hohen Stromver­brauch ausgerichtet und damit das Gegenteil einer effizienten Strombereitstellung. Das hat die Klima-Enquete bereits 1988 ausgiebig begründet.
  2. Neue leichtwassergekühlte Reaktoren der drit­ten Generation wie der Europäische Druckwas­serreaktor (EPR), AP1000 oder VVER1200 seien im Vormarsch. Tatsächlich sinkt weltweit die absolute Zahl der Atomkraftwerke. Ihr Durch­schnittsalter liegt heute bei fast 33 Jahren. In Frankreich, dem stärksten Atomland in Europa, ist rund ein Drittel der AKW wegen Überalterung oder Reparatur nur noch begrenzt im Einsatz. Auch sind die Bauzeiten neuer Reaktoren viel länger und die Kosten viel höher als anfangs be­hauptet. In Finnland war der EPR 12 Jahre später als geplant und viermal teurer als berechnet „schlüsselfertig“. Im französischen Flamanville ist der EPR nach 14 Jahren Bauzeit und enorm gestiegenen Kosten noch nicht am Netz. Im eng­lischen Hinkley Point, wo das AKW frühestens 2026 fertiggestellt sein wird, werden die Kosten auf 27 Milliarden geschätzt. In China steht der erste EPR in Taishan nach heftigen Vibrationen bereits still.

Kurz: Unbeschadet der weiter bestehenden Sicher­heitsbedenken und der ungelösten Entsorgungsprob­leme können neue Atomkraftwerke keinen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten. Ihre Bauzeiten sind zu lange und sie sind viel zu teuer.

Vor allem Vertreter*innen der Industrie, die von gro­ßen Mengen günstigem Strom profitieren, wie bei­spielsweise die IT-Industrie, insbesondere mit Fokus auf den sogenannten Künstlichen Intelligenzen, aber auch die Individuelle E-Mobilität, sind häufig För­der*innen neuer Atomkraftwerke.

Ähnliches ist von der Automobilwirtschaft bezüglich der Umstellung auf E-Autos zu erwarten. Sie fordern neue kleinere Kraftwerke (SMR bis 300 Megawatt) mit geringerer Leistungsstärke, die angeblich sicher und preislich günstiger als die bisherigen Atomkraft­werke seien. Tatsächlich scheint das Gegenteil der Fall zu sein, sodass ein genaueres Hinsehen ange­bracht ist:

  • In der Regel handelt es sich bei den SMR um Re­aktorkonzepte aus den 1950er-Jahren, die in den 1970er-Jahren wieder eingestellt wurden. Sie soll­ten, so die Werbung, die hochradioaktiven Ab­fälle reduzieren, zu einer höheren Brennstoffaus­nutzung kommen sowie zu verringerten Prolife-
  • rationsrisiken führen. Neben einigen Prototypen (Schneller gasgekühlter Reaktor, Höchsttempera­turreaktor, Überkritischer Leichtwasserreaktor, natrium- oder bleigekühlter Reaktor oder Flüssig­salzreaktor) sind sechs SMR-Reaktoren in Betrieb. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung kommt in einem Gutachten durchweg zu einer negativen Bewertung. Auch die Wirt­schaftlichkeit ist nicht gegeben.
  • Dennoch haben 14 Staaten das „Gen IV Internati­onal Forum“ zur Förderung nicht-leichtwasserge­kühlter Reaktorlinien gegründet. Die groß ange­kündigten Demonstrationsprojekte wurden aller­dings immer wieder verschoben, zuletzt bis in die 2040er-Jahre.
  • In den USA will die Firma Terra-Power mit Unter­stützung des Energieministeriums Reaktoren mit einem schnellen Neutronenspektrum bauen. Be­teiligt ist auch die IT-Branche mit ihren IT-Gigan­ten. Der Dual-Fluid-Reaktor, der durch die Kom­bination eines Flüssigsalzbleireaktors mit einer Hochtemperatur-Wiederaufbereitungsanlage an­geblich fast alle Energieprobleme lösen könne, zeigte in der ersten Demonstrationsanlage erheb­liche Korrosionsschäden. Größte Unfälle wären möglich geworden.

Bei der Forderung nach Nutzung der Atomenergie in Form der SMR geht es vor allem um Wirtschaftsinte­ressen. Eine sichere Lösung der Energieprobleme bringt sie nicht, zumal es zu viele Jahre dauern würde, ehe eine entsprechende Infrastruktur zur Ver­fügung stünde. Das wäre eine enorme Verschwen­dung von Geld und Zeit und würde die eigentlich notwendigen Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien erschweren.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern daher gut begründet: Kein Rütteln am vereinbarten Atom­ausstieg! Anstatt dessen eine konsequente Umset­zung der Energiewende mit den Kernelementen „Erhöhung der Energieeffizienz“ sowie „Steige­rung des sozial- und naturverträglichen Ausbaus der erneuerbaren Energien“!

www.bundeskongress.naturfreunde.de